Mein Raucherkarrierenknick

15.02.2015 16:27 (zuletzt bearbeitet: 21.06.2019 18:33)
#1 Mein Raucherkarrierenknick
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Ich bin jetzt 51 und habe rund 32 Jahre geraucht. Ich habe als Lehrling aus Geldgründen mit Drehen angefangen und konnte fertigen Zigaretten nie wirklich etwas abgewinnen. Die letzten Raucherjahre habe ich pro Tag 25 Selbstgedrehte mit den dicken EFKA-Filtern und Van Nelle Halfzware weggezischt. Das dürfte so 30-40 Fertigzigaretten entsprechen.

Wie bei vielen Anderen auch, fing bei mir der Tag mit einer Tasse Kaffee und der ersten Fluppe an. Bevor der Pott Kaffee alle war, wurde auch schon die Zweite geraucht und erst danach ging der Tagesablauf los. Dazu kommt, ich kann auf Arbeit rauchen soviel ich will. Da stört sich niemand dran. Also feinstes Raucherleben.

Wie bin ich zum Dampfen gekommen? Durch einen Querlink bin ich auf Philgoods Video

gestoßen. Da ich neben vielen anderen Dingen auch Videos schneide und wir auf Arbeit gerade eine passende Off-Stimme suchten, dachte ich mir, ok, dass wäre vielleicht der Richtige. Ich habe wegen der Stimme einfach das Video zu Ende geguckt und da hat es klick gemacht. Gleich danach Internet leergelesen und mich dann für ein Duo-Set eCom entschieden (wahrscheinlich der Optik wegen, sehen ja wirklich elegant aus und weil sie regelbar sind). Eigentlich dachte ich mir nichts Konkretes. Eben ein weiterer Versuch, von der Zigarette wegzukommen, wie so viele davor. Ich wollte es einfach nur ausprobieren, vielleicht bringt es ja was. Gesagt getan und ich war dann 10 Minuten später in einem Offline-Laden in der Nähe aufgeschlagen und habe mich mit Gerätschaft, drei Tabak- und dazu drei fruchtigen Liquids mit jeweils 10ml/18mg eingedeckt. Die Akkus waren halb aufgeladen, also sofort mit dem Dampfen losgelegt. Die Tabakliquids waren nicht berauschend, aber die Blaubeere war ein Hammer, vom ersten Zug an. Das war (wenn ich dem Kassenbon glauben darf) am 10.02.2014 um 11:24Uhr. Seitdem habe ich keine Fluppe mehr geraucht.
Noch unendlich viel schöner war: Abends habe ich meiner Lebensgefährtin, die eine ähnliche Raucherkarriere wie ich hat, meine Neuanschaffung vorgeführt. Ihren typischen Blick "Was hat der Nerd da schon wieder angeschleppt" vergesse ich nie. Jedenfalls war ich noch am selben Abend eine meiner eComs los und ich habe am nächsten Tag das zweite Set für uns gekauft, ihr wisst ja, auf einem Bein steht man schlecht.

Bis Weihnachten 2014 haben uns unsere eComs gereicht, dann sind wir erst auf den Kanger AeroTank Mega und anschließend auf den FeV3 umgestiegen. Wir sind inzwischen auf 3mg runter und haben angefangen selbst zu mischen. Anfangs dampften wir so etwa 3-4ml Liquids mit 18mg, heute etwa 5-6ml mit 3mg. Ursprüngliche schwor meine Lebensgefährtin, dass sie unbedingt eine einfache Lösung wie die eCom haben will und keine Basteleien. Naja, die Zeiten ändern sich halt, meine kleine Aromajongleurin ist jedenfalls ganz schön probierfreudig und kann die Reifezeit nie abwarten. Ziele haben wir uns keine gesetzt. Niemals haben wir uns unter Druck gesetzt oder setzen lassen. Ich denke, dass wir irgendwann bei Null landen werden, aber wir lassen es einfach auf uns zu kommen.

Gesundheitlich habe ich nicht ganz so extreme Sprünge wie andere hier im Forum gemacht. Meine Lebensgefährtin und ich gehören zu den Glücklichen, die nicht durch das Rauchen schon merkbar gesundheitlich eingeschränkt sind oder sich sogar schon eine COPD "erarbeitet" haben. Ich musste weder beim Aufstehen erstmal eine Runde abhusten, noch alle drei Etagen eine Pause beim Treppensteigen einlegen. Ich fahre täglich zwischen 15 und 50 Kilometer Fahrrad im Berliner Straßenverkehrschaos und war wahrscheinlich allein deswegen schon gesundheitlich besser drauf. Die ersten Tage Dampfen hatten wir ein wenig das Gefühl von Trockenheit im Mund und wir haben die ersten Tage hin und wieder ein bisschen gehüstelt, mehr "Probleme" hatten wir nicht. Anfang September (also nach knapp 7 Monaten Dampfen) haben wir unseren jährlichen Tauchtauglichkeitstest gemacht. Wir haben jetzt deutlich mehr Vitalkapazität in den Lungen und im Belastungs-EKG haben sich unsere Werte ebenfalls sichtbar verbessert, auch wenn sie vorher für unser Alter gut waren. Sauerstoffsättigung ist jetzt 99% (vorher "nur" 97%). Ansonsten fühlen wir uns einfach nur besser. Die Kondition hat sich insofern gesteigert, dass ich jetzt auf meiner Fahrradgangschaltung vorne je zwei Zähne mehr drauf habe, die alte Übersetzung hat mir nicht mehr gereicht. Und eine 12 Liter Pressluftflasche hält beim Tauchgang jetzt einige Minuten länger, unbezahlbar schöne Minuten. Und die alljährliche Wintererkältung ist bisher ausgefallen, trotz Erkrankungswelle im Büro.

Die Auswirkungen im Alltag sind gravierend. Geruch und Geschmack sind wesentlich empfindlicher geworden. Für uns sind z.B. Bus-/Straßenbahnhaltestellen nur noch das Gefühl mitten in einem Aschenbecher zu stehen. Kommt zum Glück nur selten vor, da wir in der Stadt fast ausschließlich Fahrrad fahren. So manche Gaststätte/Bar besuchen wir wegen der Masse an Rauchern und dem Geruch nicht mehr, in Berlin gibt es genug Alternativen. So manches schmeckt uns nicht mehr so gut wie früher (ist einfach oft zu kräftig oder hat Geschmacksnoten, die wir vorher einfach nicht schmeckten), dafür entdecken wir Anderes, Neues. Wir genießen gerne ab und an ein Gläschen schottischen Single Malt, vorzugsweise von den Islands. Früher dachten wir, die Zigarette gehört unbedingt dazu. Heute stellen wir fest, was wir alles geschmacklich verpasst haben und entdecken immer noch alles neu. Dasselbe bei Kaffee. Meine Lieblingssorte war über die Jahre ein reinrassiger Mocca Sidamo. Heute ist mir das als Alltagskaffee geschmacklich schon ein wenig zu heftig, ich bin noch auf der Suche nach einer Alternative.

Die Wohnung haben wir komplett renoviert. Seitdem ist es bei uns nicht nur etwas heller. Es war nicht mehr zum Aushalten mit dem Teergeruch. Wir haben auch so manches Stück in den Müll geworfen, weil wir den Teergeruch nicht mehr wegbekommen haben. Und den ganzen Dreck, den das Rauchen verursacht hat, vermisse ich nicht im Geringsten. Genauso wenig wie vor dem Einschlafen nochmal aufstehen: habe ich die letzte Kippe wirklich ausgedrückt und den Ascher auf den Balkon gestellt?

Finanziell habe wir unterm Strich bisher bestimmt ein kleines Plus gemacht aber die schleichende HWV-Infektion..., naja ist ein anderes Thema. Ich schwinge schon wieder den Lötkolben - wie ein Damoklesschwert über meiner Brieftasche. Doch lieber das als den vorherigen Zustand.

Sonstige Nebenwirkungen? In unserem Umkreis sind inzwischen acht ehemalige Raucher aufs Dampfen umgestiegen, weniger weil wir missioniert haben sondern weil sie gesehen haben, dass es funktionieren kann. Gesellschaftlich stoßen meine Lebensgefährtin und ich seltener auf Ablehnung, oft Neugier und bei vielen Rauchern definitiv auf Neid. Besonders neidisch werden die Raucher, wenn die Zeit zu knapp für eine Zigarette ist, ich aber noch schnell zwei,drei Züge aus meiner Dampfe genieße. Unser Freundeskreis war anfangs skeptisch, heute können sie sich uns nicht mehr ohne Dampfe vorstellen. Wer seinen täglichen Tanz durchs Leben so stark ändert, für den ändern sich auch andere Dinge. Ich sehe heute vieles aus einem etwas anderen Blickwinkel. Nicht viel, aber eben anders als vor meinem Rauchstopp. Wahrscheinlich weil ich etwas erreicht habe, was unerreichbar schien: nicht mehr zu Rauchen. Und es wird mir immer peinlicher, dass ich meine Umwelt jahrzehntelang mit dem Rauchen belästigt habe. Zumal meine Toleranzschwelle gegenüber dem Gestank auch immer weiter sinkt.

Ich sehe das Dampfen heute nicht mehr nur als "Ersatz" fürs Rauchen, sondern als Bestandteil meines Lebens, welcher mir Freude und Lebensqualität gibt und mich sicherlich vor so manchen zukünftigen gesundheitlichen Problemen bewahrt, mit denen ich als Raucher rechnen muss. Und ich bin inzwischen zu der Überzeugung gekommen, dass Personen, die mit an den Haaren herbeigezogenen oder frei erfundenen Argumenten das Dampfen beschränken/verbieten wollen, meine Lebensqualität untergraben wollen und zwar vorsätzlich und wider besseres Wissen. Eine Lebensqualität, die nachgewiesenerweise anderen nicht schadet.

Zu Schluss möchte ich Philgood aus vollem Herzen danken. Er hat mir den Anstoß gegeben, von der Zigarette wegzukommen. Es ging viel einfacher als ich mir in den kühnsten Träumen ausgemalt habe, aber der Anstoß dazu kam von ihm. Vielen vielen Dank.


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